ICH WAR NEUNZEHN
Anlässlich des Endes des II. Weltkrieges zeigen wir mit „Ich war neunzehn“ von Konrad Wolf einen der wenigen, großen deutschen Filme über die Deutschen 1945.
Am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, war Deutschland vom Faschismus befreit und ein fast sechs Jahre währender Weltkrieg mit 6 Millionen Toten hörte auf. Konrad Wolf, Sohn eines aus Deutschland geflüchteten jüdischen Arztes und Schriftstellers, diente neunzehnjähriger Leutnant in einer Propaganda-Einheit der Roten Armee. Mit ihr überschritt er die Oder und wurde für einige Tage Stadtkommandant in Bernau. Mit dem 1968 gedrehten Film „Ich war neunzehn“ erzählt er auf Grundlage seines persönlichen Tagebuchs eindrucksvoll und authentisch aus dieser Zeit. Der Held Gregor Hecker und sein Mentor Vadim, ein jüdischer Germanist aus Kiew, entdecken Deutschland und die Deutschen zwischen dem 16. April und 3. Mai 1945. Auf dem Kampfweg von der Oder bis zu einem Gehöft westlich von Berlin treffen sie: in Bernau das Mädchen, das Angst hat, den philosophierenden Landschaftsgestalter in seiner Villa, den blinden deutschen Soldaten, der auf seine Kameraden wartet, die nicht kommen werden und die „anderen Deutschen“ aus dem Konzentrationslager …
BIOGRAFIE KONRAD WOLF
Konrad Wolf ist der zweite Sohn des Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf mit seiner Frau Else Wolf. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 emigrierte die Familie zunächst nach Frankreich und von dort aus später nach Moskau. Wolf besuchte dort die deutsche Schule und erwarb die sowjetische Staatsbürgerschaft. Mit 17 trat er in die Rote Armee ein und gehörte 1945 als 19-jähriger zu den Truppen, die Berlin einnahmen. Für kurze Zeit war er im April 45 der erste sowjetische Stadtkommandant von Bernau bei Berlin. Seit Ende der vierziger Jahre arbeitete er als Regisseur bei der DEFA, wo er vor allem anspruchsvolle und kritische Gegenwartsfilme drehte. In seinem Spätwerk wurden auch immer mehr kritische Töne gegen die Beeinflussung der Kunst durch die Obrigkeit laut. Von 1965 bis 1982 war er Präsident der Akademie der Künste der DDR. Konrad Wolf starb im Alter von 56 Jahren in Berlin an den Folgen einer Krebserkrankung. Seit 1985 ist die Filmuniversität Babelsberg nach ihm benannt.
FILM:
DDR/DEFA 1968, Regie: Konrad Wolf,
Buch: Wolfgang Kohl Haase/Konrad Wolf, Kamera: Werner Bergmann, Länge: 120 Minuten
Premiere: 1.2.1968, Kino Kosmos und International, Berlin
DA: Jaecki Schwarz, Wassili LIwanow, Galina Polskich, Jenny Gröllmann u.a.
Nach dem verheerenden Kahlschlagplenum (11. Plenum des ZK der SED/Dezember 1965), dem eine ganze Jahresproduktion der DEFA zum Opfer fiel, war Wolfs Film nicht nur dringend notwendig für das Studio, er war auch lebensnotwendig für ihn persönlich. Mit ihm wurde die DEFA wieder zu einem Markenzeichen und zu einer Autorität im Land.
April 1945. In der Uniform eines sowjetischen Leutnants kommt der 19-jährige Deutsche, Gregor Hecker, in seine Heimat zurück. Vom 16. April bis zum 2. Mai fährt er im sowjetischen Militärfahrzeug auf dem Weg der 48. Armee von der Oder in den Norden von Berlin. Mit einem Lautsprecher fordert er die noch kämpfenden Soldaten zum Überlaufen auf. Täglich begegnet Gregor Menschen unterschiedlichster Art, hoffnungsvolle, verwirrte verzweifelte. Langsam begreift er, dass es „die Deutschen“ nicht gibt. Er trifft einfache Leute, Mitläufer, Rückversicherer, Überläufer, eingefleischte Faschisten. Die erste Begegnung mit aus dem KZ befreiten Antifaschisten wird für ihn zu einem bewegenden Erlebnis.
Der Bild- und Erzählstil des Schwarzweiß-Films unterschied sich radikal von den vorangegangenen Arbeiten Wolfs. Es herrschte der leise, sachliche, nachdenkliche Ton der Tagebuchvorlage. Die Kamera zeichnet ein überzeugendes Bild der Wirklichkeit von damals, folgt aber keinem Kult des Dokumentarischen. Die historische und biografische Dimension des Jahres 1945 und seiner Vorgeschichte wurde für manchen erstmals wieder real ansprechbar, für viele junge Menschen erstmals erfassbar (Klaus Wischnewski, „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“, Henschel Verlag 1994).
Hauptdarsteller Jaecki Schwarz wird zu Gast im Latücht sein und dem Publikum zum Gespräch zur Verfügung stehen.
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